Manchmal muss man einfach mal raus!

 

Gerade wünsche ich mir allerdings Reiseziele, die nahe liegen.

Selbst für mich als Nordlicht ist ein Besuch auf einer Hallig etwas Exotisches und ich war aufgeregt, ob es bei den Windstärken letzte Woche klappen würde.

 

Es hat geklappt!

Dieser Wochenend-Trip hat mich in eine andere Welt katapultiert!

 

Stell dir vor, du bist mit der Fähre unterwegs zu einer Insel. Aber es ist eben keine Insel. Da stehen nur kleine Hügel, genannt Warften, im Wasser – und zu dieser „Perlenkette“ in der Nordsee geht die Fahrt.

 

Bei Ankunft… stehen da immer noch diese Hügel, äh Warften, in der Landschaft. Ich kann schon am Anleger sehen, wo die Hallig am anderen Ende aufhört. Die Hauptstraße, ein schmales Band für gerade mal eine Autobreite, ist leer, außer uns im Auto.

 

Das Wetter lässt sich nicht lumpen. Es ändert alle paar Minuten seine Meinung. Weil es irgendwo regnet und woanders auf der kleinen Hallig grad die Sonne scheint, begrüßt mich auch noch ein farbintensiver Regenbogen. Besser geht‘s nicht!

 

 

Falls euch interessiert, was eine Hallig eigentlich ist, hier ein paar fun facts aus dem Internet

  • Halligen gibt es nur im Nordfriesischen Wattenmeer.
  • Eine Hallig ist eine Landmasse, die nur wenige Meter aus dem Meer herausragt und von Wasser umgeben ist. Deshalb werden Halligen bei einer starken Flut regelmäßig überschwemmt – das nennt man dann “Landunter”.
  • Erdgeschichtlich ist eine Hallig eine junge Insel.
  • Damit dort Menschen leben können, sind die Häuser auf sogenannten Warften gebaut. Dabei handelt es sich um künstliche aufgeschüttete Erhöhungen, in der Regel sind Warften fünf Meter hoch.
  • Das Besondere an einer Hallig ist nicht nur, dass sie regelmäßig überflutet wird. Eine Hallig besteht aus Marschboden, der kein Süßwasser speichert. Dort können nur Pflanzen wachsen, die Salzwasser vertragen.
  • Von den zehn Halligen ist Langeneß die größte, sie ist etwa halb so groß wie der Frankfurter Flughafen!

Und falls euch interessiert, warum ich ausgerechnet dorthin gefahren bin…

 

Ich habe eine Kollegin besucht. Das war das zweite Highlight an diesem Wochenende.

Es muss einfach ein bewegter aktiver Austausch werden, wenn sich eine Erlebnispädagogin und eine Psychomotorikerin treffen!

 

Aber was machen eigentlich Psychomotoriker und Erlebnispädagogen?

 

Bewegung und Aktivitäten nutzen wir dazu, dass die Teilnehmenden unserer Seminare und Trainings gemeinsam etwas erleben und dabei möglichst auch Spaß haben.

Und dabei vor allem neue Erkenntnisse aus dem gemeinsamen Tun mit nach Hause nehmen.

 

Natur kann eine Zutat sein; gemeinsames Handeln, um zum Ziel zu kommen; Lernen durch das eigene Erleben in der Gruppe.

 

Reflexion hilft dann zu verstehen, was in den Seminaren eigentlich mit welchem Ziel erlebt wird. Körper und Geist kommen gleichzeitig zum Einsatz, Emotionen und Verstand sind verbunden.

 

Und deshalb eignen sich beide Ansätze dafür, mit Gruppen zu arbeiten und in Teams zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Das kann sein, neue Wege zu gehen oder besser zusammenzuwachsen. Es kann auch helfen, wenn Konflikte überhandnehmen. Sie können dann zuerst einmal wirklich verstanden und dann auch besser gelöst werden.

 

Was genau ist denn Psychomotorik?

 

Auf der Webseite der dakp Deutschen Akademie Aktionskreis Psychomotorik steht:

„Psychomotorik ist ein Konzept der Persönlichkeitsentwicklung über Erleben, Erfahren und Kommunizieren mit und durch Bewegung, aber auch das Begreifen sozialer Verhaltensweisen wie Toleranz, Rücksicht und Kooperation sowie die angemessene Bewältigung von Konfliktsituationen und Misserfolgen“ (Göbel, Panten 1998).

 

Die psychomotorische Haltung wird getragen von Prinzipien (nach Peter Keßel) wie Wertschätzung und Echtheit als Basis für ein förderliches Miteinander.

Freiwilligkeit und die Vermeidung von Bewertung erlauben es allen Teilnehmenden, sich sicher zu fühlen und selbst zu entscheiden, ob und wie viel sie sich einbringen möchten.

 

So können sich die individuellen Stärken entfalten und persönliche Entwicklung entstehen. Offene Angebote ohne festgelegte Lösungswege führen zu Prozessen, die sich oft überraschend entwickeln, regen die Kommunikation an und ermöglichen allen, sich selbst als wirksam zu erleben.

 

Und was ist Erlebnispädagogik?

 

Wikipedia sagt dazu: „Die Erlebnispädagogik ist ein Themengebiet der Pädagogik. Sie befasst sich mit Gruppenerfahrungen in der Natur, um die Persönlichkeit und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Erlebnispädagogik gilt heute als integrativer Bestandteil ganzheitlicher Erziehung- und Bildungskonzepte.”

 

Kurt Hahn gilt als „Vater der Erlebnispädagogik“

„Er war der Meinung, dass nicht die Dauer, sondern die Intensität eines Erlebnisses und das persönliche Engagement für den Lernerfolg entscheidend sind.“

 

Weiter heißt es „Heute sind seine Ansätze von Echtzeit, Direktheit und Authentizität in einer hochtechnisierten und durchmediatisierten Welt gefragter denn je. Körperlichkeit und das Gefühl, physische und psychische Anstrengungen als lustvoll zu erleben, sind Ansatzpunkte zeitgemäßer, moderner Erlebnispädagogik“

 

Da gibt es also einige Gemeinsamkeiten!

 

Spannend wird es für mich als Psychomotorikerin in der Auseinandersetzung mit den Spielräumen, Erlebnissen und der Reflexion dessen, was passiert ist:

 

In der Erlebnispädagogik „sind Erlebnisse nicht planbar oder voraussagbar, weil subjektiv bedingt. Erlebnisse sind zufällige, vielleicht sogar unbeabsichtigte Vorkommnisse, die erst durch die persönliche Einordnung in individuelle Kategorien, durch Reflexion und Vergleich zu Besonderheiten werden – im Nachhinein. Hier wird ein häufiger Kritikpunkt an der Erlebnispädagogik deutlich.

 

Planbar sind lediglich die Rahmenbedingungen, Gelegenheiten und damit gewisse förderliche Bedingungen für das persönliche Erlebnis. Da Erlebnisse subjektiv und unwillkürlich entstehen, lassen sie sich nicht zielgenau herbeiführen. Jedoch besteht darin der pädagogische Ansatz der modernen Erlebnispädagogik. Ein pädagogisches Setting lässt sich so gestalten, dass Lernziele, Wirkungen und Erfahrungen möglich oder sehr wahrscheinlich werden.

 

Die Wirkung von erlebnispädagogischen Lernangeboten ergibt sich daher nicht direkt aus den abenteuerlichen Erlebnisfeldern, sondern durch die spezifische Weise in der sie genutzt, präsentiert und kombiniert werden.

 

Gelehrt werden soll, sich selbst einschätzen zu können und sich selbst wahrzunehmen, um die eigene Position im persönlichen wie im gesellschaftlichen Umfeld zu finden.“

 

Über die Psychomotorischen Gruppenangebote wird oft gesagt „die spielen ja nur“.

 

Und, wie Aida Kopic in der motorik 2/2022 schreibt, es ist deshalb notwendig, die Praxis des Spielens und Erlebens theoretisch fundiert einzuordnen. Erlebte Handlungen werden so durch das Sprechen über diese Erlebnisse erst in ihrem tieferen Sinn wahrgenommen und verstanden.

 

„Nur mit der Verzahnung beider Aspekte kann die psychomotorische Fachkraft handlungsorientierte sowie entwicklungs-, bildungs- und/oder gesundheitsförderliche Settings für ihre Zielgruppe gestalten.“

 

Psychomotorik und Erlebnispädagogik öffnen den Raum für Erlebnisse.

 

Was dann in einer Gruppe oder einem Team entsteht, ist immer wieder neu und immer wieder anders. Genau das macht den Charme aus. Wir öffnen den Raum für die Teilnehmenden, was sie daraus machen, entsteht erst während des Seminars und kann manchmal alle Beteiligten ganz schön überraschen!

 

Deshalb eignen sich beide Ansätze auch so gut für Teams.

Die Impulse, die sie mitnehmen, werden im Alltag etwas bewegen und Veränderungen bei den Menschen genauso wie in den Arbeitsprozessen bewirken. Damit öffnen sich neue Wege, die vorher noch gar nicht gesehen werden konnten.

 

Kein Seminar, kein Workshop ist gleich. Das gilt auch für uns als Trainerinnen.

 

Alle Teilnehmenden, seien es Kinder oder Jugendliche, Manager oder Erzieherinnen oder auch Senioren, begegnen den Spielen und Erlebnissen auf ihre individuelle Weise und mit ihren Fähigkeiten.

So entstehen in jeder Begegnung spannende neue Erlebnisse und Erkenntnisse.

 

Auch für uns Seminarleiterinnen ist das immer wieder neu. Und gleichzeitig ist es dabei unsere Aufgabe, die Erkenntnisse sichtbar zu machen. Dann wirkt Entwicklung weiter und die Teilnehmenden können auf ihren Erkenntnissen aufbauen.

 

Und so war auch das Wochenende auf der Hallig.

 

Wir haben uns auf den Austausch eingelassen und wussten nicht genau, was uns erwartet. Wir sind uns offen und neugierig und einfach echt begegnet. Geworden ist daraus ein schönes, bereicherndes Wochenende. Und die Hallig hat den Raum dazu aufgemacht.

 

Und was für einen Raum! Unglaubliche Weite, offen und flach bis zum Horizont, Wasser und Himmel endlos. Gleichzeitig doch ein ganz kleiner Raum, umgeben von Wasser, so dass ohne die Fähre zweimal am Tag kein Entfernen möglich ist.

 

Grenzen und Weite. Für mich waren das sehr beeindruckende Impulse und ich freue mich auf unseren weiteren Austausch!

 

Quellen und zum Weiterlesen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Erlebnispädagogik

https://praxistipps.focus.de/was-ist-eine-hallig-das-steckt-dahinter_100514

motorik, Ausgabe 2/2022 (www.reinhardt-verlag.de)

https://psychomotorik.com/ueber-uns/psychomotorik/

Mehr über Heike Singbartl unter https://www.njoerdskad.de